Wenn die premiere auf sich warten lässt:

“… Drei Jahre später”


Leipzig hat eine fünfte Jahreszeit: Wenn der Bärlauch im Auenwald blüht, sieht es aus, als bestünde der Boden aus einer einzigen schneeweißen Blumendecke. Für den Kurzfilm ‘BLOSSOM’ wollten wir im Frühjahr 2016 den Kreislauf von Wachstum und Verfall festhalten. Dass sich die Fertigstellung des Filmes über 3 Jahre ziehen würde, ahnte damals niemand.

Hier das Endergebnis vom Film ‘BLOSSOM’ , welcher 3 Jahre in der Herstellung gedauert hat

Warum dauerte alles länger als gedacht?
Und welche Herausforderungen hielt die Produktion des Kurzfilm ‘BLOSSOM’ für uns bereit?

Foto von Celina im Bärlauchwald beim Dreh von ‘BLOSSOM’ 2016 (s.o. & o.r.)

Foto von Celina im Bärlauchwald beim Dreh von ‘BLOSSOM’ 2016 (s.o. & o.r.)

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Einfache Zeitraffer von Bärlauchblüten

Einfache Zeitraffer von Bärlauchblüten

Wie alles begann

Immer der Nase nach, dann stößt man im Leipziger Auenwald im Frühling auf den Bärlauch. Denn das, was die Bilder und Videos von dem Kraut verschweigen, ist dessen beißender Geruch. Der Kontrast zwischen dem wunderschönen Anblick und der davon ausgehenden Knoblauchfahne ließ mich meine erste Idee, - nämlich einen Parfüm-Spec-Spot hier zu drehen, dann doch recht flink verwerfen. Was blieb war der Gedanke an ein Mädchen, welches sich inmitten dieser Fülle an Pflanzen bewegte und an sie gebunden sein sollte. Denn nur das Wissen, dass die Blüten im nächsten Jahr wiederkehren, schmälert die traurige Ausstrahlung, die von einer verdorrten Auenwald-Lichtung Anfang Juni ausgeht.

Also fing ich an, erste Ideen aufzumalen. Weil Lukas Fritzsch (Kameramann) und ich das Projekt immer als eine Art Testlauf ansahen, um Neues auszuprobieren, wollten wir mit Kamerabewegungen den Kreislauf vom Erblühen bis zum Verwelken implizieren. Mehr als einmal probierten wir im noch nicht blühenden Bärlauch bestimmte Kameraeinstellungen aus. Ziemlich schnell wurde uns klar, das die Illusion der Masse abhängig von der Blickrichtung und Perspektive war. Doch alle Bilder aus ein und demselben Neigungswinkel zu drehen, wäre eintönig gewesen.
Dies war der Moment, in dem wir den Kamerakran auf die Pack-Liste setzten.

Lukas Fritzsch bei dem Testdreh für 'Blossom' 2016 (s.o.)

Lukas Fritzsch bei dem Testdreh für 'Blossom' 2016 (s.o.)

Die Gummistiefel und das Auto haben nach dem Dreh noch ewig nach Knoblauch gerochen (s.o.)

Die Gummistiefel und das Auto haben nach dem Dreh noch ewig nach Knoblauch gerochen (s.o.)

Bei den Testdrehs für ‘BLOSSOM’ haben wir einen der Übergänge ausprobiert, um zu schauen, auf was wir achten müssen (s.o.)

Bei den Testdrehs für ‘BLOSSOM’ haben wir einen der Übergänge ausprobiert, um zu schauen, auf was wir achten müssen (s.o.)

Dreharbeiten im Unterholz

Die Aufnahmen vor Ort waren anspruchsvoll, aber bereiteten ebenso viel Freude. Ich erinnere mich, dass wir nicht alle geplanten Dinge am ersten Drehtag abhaken konnten, doch das, was wir in diesen Stunden produzierten, konnte sich mehr als sehen lassen - und ist am Ende hauptsächlich im fertigen Film gelandet.

Celina, unsere Protagonistin für ‘BLOSSOM’, war in Höchstform dabei und ließ sich nicht anmerken, dass sie Laiendarstellerin war.
Mit einer Drohne, dem zuvor erwähnten Kamerakran und dem Auto für die Fahraufnahmen füllten wir knapp 3 TB auf den Festplatten mit Slowmotion-Clips. Wir kehrten mehrmals in den Wald zurück, etwa, um Drohnenschüsse zu optimieren oder später den verdorrten Bärlauch mit der Kamera festzuhalten.
Auf jeden Fall zählt jener zu den ungewöhnlichsten Drehorten, an denen ich je gearbeitet habe.

Kleines Behind-The-Scenes Video von den Dreharbeiten von ‘BLOSSOM’

Gründe für verzögerungen

Erst in DaVinci Resolve ließen sich die RAW-Dateien bearbeiten (s.o.)

Erst in DaVinci Resolve ließen sich die RAW-Dateien bearbeiten (s.o.)

#1 Motivationskiller

Erste Probleme zeichneten sich bereits bei der Sichtung des Materials ab, welche darin bestanden, dass man das Material nicht sichten konnte. Zu dem Zeitpunkt nutzte ich den guten Arbeitsschnittrechner zum Anlegen des Projektes, doch dieser verschluckte sich immer wieder an den Clips. Die allseits beliebte Software Adobe Premiere ließ mich im Stich, denn sie konnte mit dem Format Cinema DCP nichts anfangen. Die Umwege über Adobe After Effects nahmen wir den ersten und jeden später aufkeimenden Enthusiasmus. Erst 2019 fand ich neuen Grund zur Hoffnung, als ich DaVinci Resolve installierte. Dort lief das Playback wie am Schnürchen und ich konnte endlich richtig schneiden.
Ein Steinmetz braucht für seine Arbeit grundsätzlich 2 Dinge: Den Rohstoff und sein Werkzeug. Wenn das Werkzeug am Gestein zerbricht, hat er das Falsche ausgewählt. Was ich damit meine, ist, dass ich mein Werkzeug für den Schnitt leider nicht mit dem Material getestet habe, weshalb die eigentliche Arbeit im Schnitt nicht stattfinden konnte. Gibt es dafür nicht schnell eine Alternative, führt das nicht nur zum Reißen der Deadline, sondern auch - was viel entscheidender ist - zur Frustration. Nichts ist wichtiger, als die Freude und der Spaß an den Eigenproduktionen. Denn wenn es daran fehlt, gibt es keinen Grund, sie abzuschließen.

#2 den richtigen Ton treffen

Wenn man sich endlich in der Rolle der Regie ausprobieren darf, lernt man schnell die eigenen Grenzen kennen. Eine davon lag (und liegt heute noch häufig) in meinem Umgang mit der Musik. Wie trifft man den richtigen Ton für einen Film, wenn die Dreharbeiten bereits stattgefunden haben? Häufig beeinflusst mich eine vorübergehende Mood- oder Beispielmusik zu sehr, um diese später wieder loslassen zu können. Für ‘BLOSSOM’ war drei Jahre Lang der Titel “Easy” von der Band Son Lux mein Leitfaden, an den ich mich klammerte. Nach viel Herumprobieren stellte ich irgendwann einfach alle Geräusche beim Schneiden aus, spann die Dramaturgie nur über die Bildebene und stellte mir dabei vor, wie das Video auf jemanden z.B. auf Instagram wirken würde, der den Ton nicht eingeschaltet hatte. Das half dabei, den nötigen Abstand zu gewinnen.
Mit der “nackten” Soundspur übergab ich den sehr visuell-geprägten Schnitt schließlich an Hans aka Jake Five, der sich an die Komposition der Musik setzte. Dank der nun endlich gefundenen Dramaturgie mit ruhigen und dynamischen Momenten bastelte er den Track, den wir dann für ‘BLOSSOM’ formten. An manchen Stellen haben wir auch da noch viel diskutiert - beispielsweise, ob die Vocals wirklich drinbleiben sollen - aber bei allem fanden wir einen guten Kompromiss. Persönlich gefällt mir der Moment am Ende am besten, wenn die Theme-Melodie des Songs wieder einsetzt.

#3 Inhalt vor form, nie wieder andersrum

Ein Shot, der es nicht in den Film geschafft hat: Blütenregen in 120fps (s.o.)

Ein Shot, der es nicht in den Film geschafft hat: Blütenregen in 120fps (s.o.)

Sicher erschwerten der komplizierte Workflow im Schnitt und die Findung der Musik den Prozess im großen Ganzen. Sicher streckte sich darum ein Teil der Zeitspanne weiter aus. Doch wäre ich dem hier letzten und wichtigsten Prinzip von Anfang an gefolgt, wären mir die meisten Monate des Zweifelns, Haderns und Zähneknirschens erspart geblieben:
Hätte ich mir zu Beginn mehr Gedanken um das Konzept, statt um die Umsetzung gemacht, wäre Vieles leichter von der Hand gegangen. Ich bin überzeugt, dass dann der Film sogar noch besser geworden wäre. Viele Einstellungen, Zeitraffer und sogar mancher Drehtag sind genau darum nie im Film gelandet - was in Anbetracht der Qualität der Aufnahmen zutiefst bedauerlich ist. Es reicht nicht aus, ein paar Bilder zu zeichnen und dann gleich mit den Vorbereitungen vom Dreh weiterzumachen. Die Story ist das Herz des Filmes, sie macht Bewegtbild überhaupt erst erlebenswert.

FAZIT: Geduld soll eine Tugend sein

Schlussendlich bin ich froh, mir die Zeit in der Postproduktion genommen zu haben. Hätte ich kopflos einen Schnitt auf Basis einer vagen Anfangsidee und dann den Film veröffentlicht, wäre das nie all der Arbeit gerecht geworden, die von allen Beteiligten in dem Video steckt. Letzten Endes zahlt man einen recht hohen Preis für die Zeit, die man sich nicht zuerst nicht nehmen will - denn am Ende tauscht man sie dadurch gegen die Qualität der Arbeit ein.

(Verfasst am: 18.01.21, Patricia Kaube)

Credits

Cast
Celina Donnerstag

Regie
Patricia Kaube

Kamera
Lukas Fritsch

Sounddesign & Musik
Jake Five
BEAT CIRCUS LABEL

VFX & Colour Grading
Philipp Fechner

Oberbeleuchter & Grip
Axel Rothe

1st AC & Drohne
Ines Göbel

Grafiken
Björn Renner

BTS Kamera
Lukas Göhlich

BTS Fotos
Felix Brodowski

Sponsoren
Sons Of Motion Pictures GmbH
Picmention Video & Filmproduktion
Media City Atelier Leipzig

©2020 Patricia Kaube