(W)ideo für Wunderkammer in Waldenburg

Wie können wir das Gefühl von einem Museum in einem Film einfangen? Wie inszenieren wir den Ort, die Ausstellungsstücke, sodass man deren Geschichten erfahren will? Was muss in das Konzept, welchen Sprecher brauchen wir und welche Musik soll das Ganze begleiten? Und - wie zur Hölle - schaffen wir das alles in so kurzer Zeit?
Im folgendem Text geht es um die Entstehung und den dabei teils sehr beschwerlichen Weg bis zum Endprodukt unseres im Frühjahr 2021 veröffentlichten Filmes über einen Rundgang in der Wunderkammer des Naturalienkabinett Waldenburgs.

Barrierefreier Zugang in die Wunderkammer

Erste Motivbesichtigung in der Wunderkammer - allein. Covid 19. Alle Museen waren bis auf Weiteres geschlossen, so auch dieses in Waldenburg.

Für manche Menschen machen verschlossene Tore eines alten Museums, wie das in Waldenburg, allerdings keinen Unterschied, denn selbst in “normalen Zeiten” bleibt der Besuch für sie ein unerreichbares Erlebnis. Gemeint sind damit all jene, die auf einen barrierefreien Zutritt angewiesen sind. Denn den kann das denkmalgeschützte Gebäude leider nicht bieten. Es fehlt an einem Fahrstuhl, um in das 2. OG zu gelangen.
Somit war unsere Zielstellung einen Film zu produzieren, der die Menschen auf digitalem Weg durch die Ausstellung führt und einige ausgewählte Geschichten zu einzelnen Objekten aus aller Welt erzählt. Ganz nach dem Motto: Die ganze Welt im Kleinen.

Mehr Infos zum Museum gibt es hier: www.museum-waldenburg.de

Beim ersten Rundgang machte ich Fotos von den Ausstellungsstücken, um später aus genügend Material ein Konzept zu erstellen.

 

#1 Konzeption - Ein Barrierefreier Rundgang

Nix geht über ein Storyboard

Die beste Art, Ideen zu kommunizieren, ist, sie zu zeigen. Mit einem einfachen Storyboard konnten wir uns über die Grundkomposition und den Rahmen des Filmes austauschen. Zwischen Konzeptabnahme und Dreh lagen gerade mal 3 Wochen - also sehr wenig Zeit. Umso wichtiger ist es, dass alle eine einheitliche Vision in Kürze der Zeit vermittelt bekommen.

Natürlich beherbergt die Wunderkammer nicht nur einen Überfluss an Tier- und Pflanzenarten, sondern auch eine sehr große Sammlung wissenschaftlicher Geräte. Diese Masse kann Fluch und Segen jedes kreativen Projektes sein, denn es muss entschieden werden, was der Aussage des Films wirklich zuträglich ist. Dank der wunderbaren Vorbereitung der Museumsleiterin Fanny Stoye und ihrer Stellvertreterin Sandy Nagy, sowie Christian Frommelt von der Agentur Whitebox, kamen Idee, Grundkonzept, Texte und redaktionelle Arbeit aus einem Guss.
Weil das denkmalgeschützte Museum keinen Aufzug besitzt, sollte der Film auch einen barrierefreien Zutritt und Rundgang gewährleisten. 5 Ausstellungsstücke sollten dabei einen Schwerpunkt innerhalb der Führung bilden und jeweils einen kleinen Einblick in deren Geschichte eröffnen. Nach der ersten Besichtigung schrieb ich am Konzept, parallel entstand der Sprechertext und ein Plan für die technische Umsetzung. In der Vorbereitung entstand sogar ein einfaches Storyboard, was der Vereinfachung der Kommunikation beim Dreh dienen sollte.

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Kleiner Einblick ins Storyboard vom NK Waldenburg: Als Vorlage dienten die bei der Motivbesichtigung geschossenen Fotos der einzelnen Elemente.

 

#2 Musik & Sounddesign - Ein Museum zum Leben erwecken

Ein sehr entscheidender Prozess, bereits bevor Drehbeginn, spielte sich im Bereich Sounddesign und Musik ab. Wir wussten, dass zwar atmosphärische Bilder die Aufmerksamkeit des Zuschauers einfangen, die Geräuschkulisse aber allein dazu fähig ist, Emotionen beim Publikum hervorzurufen. Die Geschichte der einzelnen Objekte musste also akustisch so untermalt werden, dass man nicht nur die Mumie zum Leben erweckt, sondern auch in eine andere Zeit eintauchen kann. Kein einfaches Unterfangen. Daher suchten wir uns sogenannte Mood-Musik als ersten Anhaltspunkt als Vorlage, die das Gefühl, die der Museumsfilm hervorrufen sollte, schon einfing. Unsere Wahl fiel auf “Aquarium” aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint-Saens und Ross Pople (s.u.). In einem Vorspann von den Simpsons wurde dieses Werk einmal verwendet und seither war es in meinem Kopf gebrannt - ich wusste, dass wir dieses fantastische Stück irgendwann als Stimmungsvorlage gebrauchen könnten.

Hans (Sounddesign & Komposition) baute später ein Hauptthema, welches einen in der Komposition von Anfang bis Ende begleitet. Da wir aber zwischen den Kontinenten, verschiedensten Biotopen und Sphären im Film hin- und herspringen, war die Idee jenes festgelegte Thema jeweils abzuwandeln und die Sequenzen fließend ineinander übergehen zu lassen. Nur so könne das “Rundgangs-Gefühl” nicht auf dem Weg verloren gehen. Er interpretierte die Melodie immer wieder mit verschiedenen Instrumenten neu, wie zum Beispiel bei der ägyptischen Mumie oder dem Walknochen.

Phils (Licht & VFX) skeptischer Blick bei der Motivbesichtigung. Der Top-Shot bei der Mumie war anspruchsvoll, darum kann man ihn hier schon denken sehen.

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Phil (Rechts), Fanny Stoye (Mitte) und ich (Links) in der Reihe vom Chamäleon. Zum Glück durften wir dessen Position innerhalb der Vitrine für die Kamera etwas verrutschen.

 

#3 Dreh - Die Schokoladenseite der Wunderkammer

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Lukas und Phil bei Tagesanbruch (gg 7:00 Uhr) für den ersten Shot im Video.

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Was kann man sagen? Der Dreh ist die schönste Zeit des Filmes! Auch wenn wir echt früh aufstehen mussten, diesmal. In Leipzig ging es gegen 6 Uhr früh los, denn Waldenburg liegt etwa eine Stunde von unserer Hood entfernt. Mit einem straffen Zeitprogramm flogen wir am Samstag, den 21.11.2020, durch den Tag. Und dank Nancys und Sandys Hilfe konnten wir auch alle Hindernisse unbeschadet überwinden. Mit nur 3 Personen im Filmteam und der Unterstützung der Museumsleitung schufen wir in so kurzer Zeit wirklich wunderbare Aufnahmen, die der Wunderkammer in nichts nachstehen. Als wir am Abend erschöpft, aber glücklich, wieder unsere Sachen packten, wussten wir allerdings auch, dass noch eine ganze Strecke vor uns liegt. Denn neben den stimmungsvollen Videoclips sollten ja auch noch jede Menge Animation und VFX in das Video einfließen…

 

#4 VFX & Schnitt - Endgegner in der After-Effects Arena

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Datensicherung ist das Erste, was nach Drehschluss ansteht. Und das Nervigste.

Was macht man nach einem langen, erfolgreichen Drehtag? Als Erstes: Daten sichern. Mit einem Etikettiergerät ist der Job sogar gar nicht so übel. Währenddessen ging ausgeliehene Technik zurück und wurde wieder fein säuberlich in den Schrank gelegt.
Im Anschluss ging es an den Rohschnitt, und nach dem Rohschnitt zum Feinschnitt. Parallel arbeitete Jens Rosemann an den ersten Grafiken für die bevorstehenden Animationen und Nancy und Sandy feilten weiter am Sprechertext, der vom bezaubernden Sprecher Mirko Kasimir eingelesen werden sollte.

“Picture-Lock” - Der Anfang vom Ende

Dank der guten Vorbereitung ging der Schnitt ganz gut von der Hand. Das zuvor erstellte und animierte Storyboard hatte bereits ein recht passables Bild vom Endprodukt gezeichnet und nun mussten wir vor allem an den kleinen Stellschrauben drehen. Dabei war das Timing des Filmes entscheidend. Wie lange welcher Shot stehen bleiben muss und wie lange an welcher Stelle die Musik ihre Wirkung entfalten wird - all solche Entscheidungen galt es zu treffen.

Nach dem sogenannten “Picture-Lock” wartete die arbeitsintensivste Zeit auf Lukas und Phil, die sich nun an die Animationen und die Farbkorrektur setzten. Die beiden mussten viele Korrekturen vornehmen und glattbügeln, was glattzubügeln ging. Dass man von den Stolpersteinen kaum etwas am Endprodukt bemerkt, ist allein ihr Verdienst. Und auf dem letzten Zahnfleisch krauchend, schleppten sie sich durch die Zielgerade. Ohne die beiden wäre kein Hauch Magie oder Wunder zu finden und ich bin sehr dankbar, so talentierte VFX-Wütige im Team gehabt zu haben.

Also befanden wir uns an dem Punkt, dass die Animationen sich dem Ende neigten, wild im Studio an der Komposition der Musik herumgewirbelt und letzte Farben gegraded wurden. Aber irgendetwas fehlte.
So viel Liebe zum Detail, so viel Arbeit und Hingabe und Wissen vereint in einem Film, aber dennoch fühlte es sich an, als wäre da noch eine Lücke im Gesamtbild. Der Rundgang war uns schonmal aus unserer Sicht gelungen, der Sprecher passend gewählt und alles fügte sich wie ein Puzzle zusammen. Aber ein Teil schien irgendwie zu fehlen.

Der “blaue” Faden der Geschichte

Anfangs als zu aufwändige Idee verworfen, fand der Schmetterling am Ende zum Glück doch noch einen Weg in den Film. Dank eines günstigen, aber sehr hochwertigen 3D-Presets des blauen Falters mussten wir nur die Flugschneise festlegen, die er durch die Lüfte der Museumsräume fliegt.

Im kreativen Findungsprozess (mit Instagram-Filtern)


Ganz am Anfang unserer Reise hatten es mir besonders die Schmetterlinge der Ausstellung angetan. Ich denke, dass diese Präparate einen jeden Besucher und eine jede Besucherin in ihren Bann ziehen können. Und in der hintersten Ecke meines Kopfes hatte ich mich gefragt, wie es wohl wäre, wenn man als Zuschauer gemeinsam mit einem flatternden Schmetterling durch die Gänge schwebt und, wie durch das offene Fenster, einen Blick in eine bislang verborgene Welt erhascht.
Bei einem Budget eines Museums, was durch öffentliche Gelder finanziert wird, konnten wir an einen solchen Aufwand nicht denken. Das hätte sich weder rentiert, noch wäre es verhältnismäßig zum Aufwand gewesen. Ganz zu schweigen von Phil und Luke, die nun wirklich schon genug in der Postproduktion gelitten hatten. Doch dann wurde unsere Abnahme verschoben und erst nach Weihnachten sollten wir den fertigen Film präsentieren. Ich bin nicht besonders gut im animieren und mir fehlt die Geduld für solche detaillierten Feinheiten, aber ich dachte, ich versuche es einfach. Wenn es nicht gut aussieht, können wir den animierten Schmetterling immer noch weglassen.
Am Ende wurde der 3D-Preset-Schmetterling zum roten - oder eher blauen - Faden des Filmes und fügte sich so ein, als wäre er schon immer da gewesen. Die Animation ist nicht perfekt, aber sie wirkt. Und nur durch dieses weitere Detail konnte der Film Vollständigkeit und damit seine größte Wertschätzung erlangen.

Farbschemata

Für die Animationen und das Grading haben wir uns eine Farbpalette zusammengestellt, an der wir uns bei der Bildbearbeitung orientieren konnten.

#5 Fazit - beim nächsten mal

Unter dem Strich kann man sagen, dass unser - und damit vor allem mein - Zeitmanagement bei so einer “Hau-Ruck-Aktion” echt mies für die Nachbereitung ausfiel und der einzelne Workflow besser hätte geplant werden sollen. Asche auf mein Haupt. Die Animationen hätte man besser im Gesamtkontext integrieren können und mehr Drehtage hätten alle sehr erfreut. Shame.
Dennoch haben wir ein echt wundervolles Video geschaffen, zeitlos und taktvoll, dass glücklicherweise unseren Kunden genauso glücklich gemacht hat wie uns. Nancy, Sandy und Christian waren genauso engagiert wie wir und das hat uns den Rücken auch in den nächtlichen Überstunden gestärkt. Deren Vertrauen war unsere Tür in eine kreative Spielerei, die wir in vielen Fällen so nicht hätten umsetzen dürfen. Ich habe mal wieder viel gelernt und will nie wieder ohne ein klares Soundkonzept in einen Film starten, geschweige denn ohne die Puristen der VFX-Abteilung.
Danke an alle, die uns bei diesem Film geholfen haben. Ich hoffe, dass wir die Wunderkammer mit unserer Arbeit für alle etwas zugänglicher machen konnten.

Credits

Kunde
Naturalienkabinett Waldenburg

Agentur
Whitebox Dresden,
Christian Frommelt

Regie & Produktion
Patricia Kaube

Kamera & Animation
Lukas Reubelt

Licht & Animation
Philipp Fechner

Musik & Sounddesign
Jake Five

Grafik
Jens Rosemann

 

special thänks

… gehen raus an Jens Rosemann,
der uns den Auftrag vermittelte und dabei selbst fleißig war wie ein Bienchen,

sowie an Christian Frommelt von Whitebox,
für all seine Geduld und wunderbare Arbeit u.a. in der Weitervermittlung der Kommunikation,

und vor allem an Luke & Phil,
die so verrückt waren, mal wieder mit mir zusammenzuarbeiten (s.u.).